Tagebuch Indien (Eintrag 3 von 10)

Shimla

Donnerstag, 03.11.2011

Der Wecker klingelt früh um sechs. Bis zum Bahnhof ist es zwar nur eine Station mit der Metro, aber mit Rucksack muss das auch nicht unbedingt sein. Die Metro wiederum könnte auch dauern, da man jedes Mal erst durch eine Sicherheitsschleuse mit Gepäck durchleuchten muss.

Es geht aber alles ganz entspannt. Lisa checkt nochmal, ob sie mit auf der Passagierliste des Zuges nach Kalka ist, denn sie war mit dem Studentenvisum nur bis auf die Warteliste gekommen. Ich kam mit meinem Touristenvisum gleich in die „Tourist quota” rein. Kapiere das, wer will... Es passt aber alles, wir sitzen sogar nur wenige Plätze auseinander. Der Expresszug ist bestimmt zu zwei Dritteln mit englischen Reisegruppen älteren Semesters besetzt.

Zuerst geht es durch die Vororte von Delhi. Was man hier aus dem Zugfenster zu sehen bekommt, ist schon echt krass und gar nicht richtig in Worte zu fassen. Die Leute in den Slums leben buchstäblich in Müll und Schei*e. Im Zug ist eine ganz andere Welt mit Service wie im Flieger: Es gibt erstmal Frühstück. Die Landschaft ändert sich und es wird immer grüner und dörflicher. Halb elf erreicht der Zug dann Kalka, etwa 250km nördlich von Delhi. Hier steigen wir in die Schmalspurbahn nach Shimla um. Die Strecke wurde um 1900 von den Briten gebaut, da Shimla wegen des angenehmen Höhenklimas der Sommersitz der englischen Regierung war. Der Zug windet sich über endlose Schleifen, durch etliche Tunnel und über etliche Brücken von etwa 650 auf 2000m hoch. Für die 96km lange Strecke braucht der dieselbespannte Zug gute sechs Stunden. Am Anfang ist es noch etwas diesig oder fast neblig, dann wird die Sicht aber besser. Das Panaroma ist schon schick!

Shimla ist das komplette Gegenstück von dem, wie man sich eine Stadt in den Bergen vorstellt. Anstatt in einem Tal mit einigen Ausläufern an die Berghänge liegt 120.000-Einwohner-Stadt auf einem Bergrücken und einzelne Arme erstrecken sich von oben die Hänge hinunter.

Wir handeln mit einem der Schlepper einen guten Preis aus und schauen mal, was man für 400Rs an Unterkunft bekommen kann. Die Straßen in Shimla sind ordentlich steil und wir kommen mit den Rucksäcken schnell ins Keuchen. Das Hotel ist ganz passabel und wir bekommen an der Rezeption erstmal einen Chai angeboten. Unser Zimmer hat einen Balkon mit Blick auf die Berge. Der Balkon ist komplett mit Schmiedeeisen vergittert, wegen der Affen.

Nach einem unheimlich leckeren, wie preiswerten Butter Dahl mit Roti (50Rs) buchen wir bei den Jungs im Hotel morgen eine Tour weiter in Richtung Himalaja. Der Abend im Hotel ist recht ungemütlich, denn es sind draußen nur noch ca. 10°C und drinnen nicht viel mehr. Nicht mal das Bier will bei der Kälte so richtig laufen...

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Freitag, 04.11.2011

Am Morgen zieh ich eine Runde durch Shimla, da ich vor unserer Tour noch Geld holen muss. Das Wetter ist 1a, die Sonne scheint, die Luft angenehm kühl. Es ist zwar etwas diesig, aber man kann ein paar schneebedeckte Gipfel des Himalaja am Horizont erkennen. Hasan, der uns gestern am Bahnhof aufgegabelt hat, ist heute unser Guide. Mit Jeep und Fahrer geht es in Richtung Narkanda, etwa 60km über kurvige Bergstraßen. Unterwegs gibt es Frühstück an einem kleinen Restaurant mit grandioser Aussicht. Dann fahren wir teils über Holperpisten, teils über ganz passable Straßen weiter. An einer Tankstelle werden noch ein paar Liter nachgetankt. Sprit ist teuer und jeder fährt nur mit einer Pfütze im Tank rum. Die Ausblicke sind immer wieder super. In Narkanda halten wir noch kurz für etwas Marschverpflegung und ein paar Kilometer hinter dem Ort geht dann die Wanderung, oder eher der Spaziergang los. Wir sind auf knapp 3000m, was man an der Luft ganz schön merkt. Besonders Lisa ist mit 3 Monaten Hyderabad-Smog (der 21 Zigaretten/Tag entspricht) die Puste das erste Mal nach 4 Metern aus. Wir lassen uns Zeit und gehen stetig bergauf durch hohe Pinienwälder. Wir könnte auch fast in den Alpen sein, würde sich nicht ab und zu mal ein Affe durch die Bäume hangeln. Gegen Mittag erreichen wir den Hatu Peak, angeblich 3400m hoch. Es ist leider etwas diesig und die weißen Spitzen des Himalaja sind nur mit Mühe von den Wolken zu unterscheiden. Nichtsdestotrotz ist das Panorama genial. Nach einem Picknick, einer Runde auf dem Gipfel und einem Abstecher zu dem kleinen Tempel laufen wir wieder die paar Kilometer zurück zum Auto. Mit Hasan gibt es einige interessante Gespräche über die Gegend und Indien allgemein.

Der Rückweg nach Shimla ist genauso spannend. Allerdings macht die dünne Luft in Verbindung mit Autofahren müde. Dagegen hilft dann das Autoradio mit einer Kassette mit Bollywood-Filmmusik in voller Lautstärke. Wir halten nochmal an dem kleinen Restaurant und es gibt Chai, bevor wir dann gegen Sonnenuntergang wieder in Shimla sind. Hasan zeigt uns noch ein kleines Restaurant, wo es Momos gibt, himalajische Teigtaschen, ähnlich den russischen Pelmeni.

Danach genehmigen wir uns im Pavillon an der Hauptmeile Shimlas jeder noch ein Bier. Jetzt bin ich nach dem Tag und der zur Abwechslung reichlich frischen Luft auch wieder ganz gut platt.

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Sonnabend, 05.11.2011

Auch wenn die angebotenen Touren ins Umland recht verlockend klingen, gehört der Tag heut Shimla mit recht wenig Programmpunkten. Nach einem ganz passablen Frühstück im altgediegenen „Indian Coffee House” werden ein paar sehr farbenfrohe Ladenstraßen erkundet. Die Händler sind im Vergleich zu Mumbai und Delhi angenehm zurückhaltend und man wird nicht gleich mit „Sir?!” zugequatscht, wenn man einfach mal etwas rumschauen will. Da die Sonne jetzt schön scheint, gibt es entspanntes Menschenkino auf einer Parkbank.

Ansonsten laufen wir kreuz und quer durch Shimla. Der einzige Stress entsteht, als wir ein paar Snacks an einer Parkbank in Ruhe essen wollen. Monkey attack... Am Abend gibt es in einem völlig verräucherten kleinen Restaurant „Veggie Sizzler”, Gemüse in der heißen Pfanne serviert. Das Geräusch ist der Namensgeber.

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Sonntag, 06.11.2011

Heut geht der Zug zurück nach Delhi. Nach dem Packen geht es nochmal zum Frühstück ins Indian Coffee House. Der Blick auf die Berge ist heute besonders klar und so kann man von der Shimla Ridge die 6500er am Horizont sehr gut sehen. Geil!

Der Toy Train fährt halb 11, wieder gut gefüllt mit smalltalkenden Engländern. An einem Zwischenstopp wird Dahl und Bhatura (scharfe Linsensuppe und eine Art Langosh) gefasst. Der zweite Teil der Zugreise wird nochmal spannend. Ich bin auf der Passagierliste bestätigt, Lisa ist noch immer auf der Warteliste, wenn auch auf #1. Der Schaffner meint aber: Kein Problem, er wird einen Platz finden. Klappt dann auch ab Chandigarh im nächsten Waggon. Der Service und das Essen sind wieder super, Snacks, Essen und noch ein Eis zum Nachtisch. Abends um 22:30 Uhr erreichen wir Delhi, wo wir wieder im Sunny Guesthouse absteigen. Der Typ an der Rezeption freut sich, dass wir wiederkommen.

Tagebuch Indien (Eintrag 3 von 10)